Immobilie unter Stromleitung
Wertminderungen bei Wohnhäusern unter Hochspannungsleitungen
Das Bauland wird nicht nur in großen Städten, sondern zunehmend auch in kleinen Gemeinden knapp, so dass auch unter Hochspannungsleitungen Häuser errichtet werden. Vielen Bewohnern ist unklar, ob ein Leben unter einer Stromleitung langfristig schädlich ist.
Hochspannungsleitungen dienen zum günstigen Überland-Transport von Elektrizität, da bei gleichbleibender elektrischer Leistung die Übertragungsverluste umso geringer sind, je höher die zur Übertragung verwendete elektrische Spannung und je kleiner der damit übertragene elektrische Strom ist. Der Strom wird deshalb mit Spannungen über 10.000 Volt bis etwa 1 Million Volt übertragen. Die meisten Hochspannungsleitungen haben eine Spannung von 380 000 Volt.
Unter einer großen Hochspannungsleitung kann die elektrische Feldstärke in Bodennähe bis zu 5000 V/m betragen. Auch im Abstand von mehreren hundert Metern ist die Strahlung messbar.
- Die Entwicklung seit 2021
In Deutschland wird seit dem Ende der großen Koalition die Energiewende vorangebracht und die bestehenden Stromnetze ausgebaut. Dafür errichtet man viele neue Hochspannungsleitungen mit einer Spannung von 380 000 Volt sowie auch erstmals Hochspannungs-Gleichstromleitungen (HGÜ-Leitungen). Die vom Ausbau betroffene Bevölkerung steht diesen Maßnahmen zum Teil kritisch bis ablehnend gegenüber.
Das Forschungsprogramm «Strahlenschutz beim Stromnetzausbau» des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) soll mögliche Gefahren eruieren und die Aufklärung in der Gesellschaft verbessern.
2. Die Rechtslage: Hochspannungsleitung und Wohnen zulässig?
Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das einen Mindestabstand von Hochspannungsleitungen zu Wohngebäuden oder Menschen vorschreibt.
Seit dem Jahr 2013 gibt es ein Überspannungsverbot von Wohngebäuden. Nicht betroffen vom Überspannungsverbot sind bestehende Freileitungstrassen sowie entsprechende Planfeststellungsbeschlüsse, die bis zum 22. August 2013 eingereicht wurden (§ 4 Abs. 3 26. BImSchV). Dies rechtfertigt der Bestandsschutz. Grundsätzlich sind daher auch spätere Bauten von Hochspannungsleitungen über Wohngebäuden noch zulässig.
3. Gefahr für ein Leben unter der Hochspannungsleitung?
Alle Hochspannungsleitungen erzeugen in ihrem Umkreis elektrische Felder, welche vom Erdreich und Baumaterialien abgeschirmt werden. Deshalb erzeugen Erdkabeln keine derartig starken Magnetfelder, wie Hochspannungs-Freileitungen.
Magnetfelder entstehen immer dann, wenn Strom fließt. Da die Magnetfeldstärke von der Stromstärke abhängt, schwanken die Feldstärken entsprechend mit den Stromstärken in den Leitungen. Die höchsten Feldstärken lassen sich direkt unter Freileitungen finden. Mit seitlichem Abstand zu einer Trasse nehmen sie deutlich ab.
Bei Freileitungen hängt die Feldverteilung vor allem von der Masthöhe (üblich sind 56 – 77 m) sowie vom Durchhang und der Leiterseile ab. Nach aktuellem Stand der Forschung schützt die Einhaltung der Grenzwerte Menschen selbst bei einer geringen Entfernung vom Wohngebäude zur Hochspannungsleitung vor allen nachgewiesenen gesundheitlichen Schäden.
Mit jedem Meter Abstand zu den Hochspannungsleitungen werden die dazugehörigen elektrischen und magnetischen Felder sehr schnell deutlich schwächer. Auch im Haushalt erzeugen Leitungen und Geräte elektrische und magnetische Felder. Diese haben üblicherweise einen deutlich größeren Anteil an der Gesamtexposition (d.h. der Art und Weise, wie Menschen elektrischen und magnetischen Feldern ausgesetzt sind) eines Menschen. Das gilt umso mehr, je weiter die Hochspannungsleitungen von den Häusern entfernt sind. Viele Beeinträchtigungen sind nur psychisch wahrgenommen und wirken sich nur durch die Reaktionen der Betroffenen auch physisch aus.
Teilweise versuchen auch unseriöse Institutionen über Panikmache Elektrosmogmessgeräte zu verkaufen und fabulieren von angeblich verursachtem Herzkammerflimmern oder inneren Körperströmen der Menschen unter einer Hochspannungsleitung, ohne dass es wissenschaftliche Erkenntnisse für solche Behauptungen gäbe. Viele Wissenschaftlicher halten diese Sichtweise daher für Populismus und erinnern an Menschen, die von Infraschall neben Windrädern fabulieren.
Im englischsprachigen Ausland hat sich der Begriff NIMBY gebildet, abgeleitet von dem englischen Akronym „Not in my backyard“ (Nicht in meinem Hinterhof), also jemanden, der den transportierten Strom gerne nutzt, solange dieser nicht in seiner Nachbarschaft entsteht oder transportiert wird.
4. Auswirkung einer Hochspannungsleitung auf Immobilienwerte
Die Beeinträchtigung durch Strom-Freileitungstrassen ist insbesondere bei Wohnimmobilien gegeben. Gewerbeimmobilien sind kaum beeinträchtigt.
Die Beeinträchtigung liegt im gefühlten Unwohlsein, der tatsächlichen Geräuschentwicklung (surren), dem Schattenwurf der Leitungen sowie der Blickbeeinträchtigung durch Mast und Leitungen.
Der Wohnwert einer Immobilie mit weitem Landschaftsblick ist besonders geschätzt und wird insbesondere durch eine Hochspannungsleitung beeinträchtigt.
Ein kleiner Teil der Bevölkerung glaubt zudem an gesundheitsschädliche Gefahren durch Überlandleitungen.
Von einer Wertminderung eines Wohnhauses durch eine neu entstehende Hochspannungsleitung in unmittelbarer Nähe ist also auszugehen.
Es gibt aber auch gegenteilige Argumente: Das Vorhandensein einer Hochspannungsleitung wird die weitere Bebauung verhindern und somit Grünflächen und unbebaute Flächen erhalten, die wiederum den Wohnwert erhöhen.
Zudem wird eine Lage mit anderen Immissionen z.B. an einer Autobahn oder einer Eisenbahnlinie bewirken, dass keine Wertabschläge durch eine neue Hochspannungsleitung zu befürchten sind.