Kündigung wegen Eigenbedarf

Eigenbedarf

Das Mietrecht enthält – ähnlich wie das Arbeitsrecht – besondere Schutzvorschriften für nur eine Partei, da die Partei „Mieter“ von der Politik als besonders schutzbedürftig angesehen wird. Um den Mieter vor willkürlichen Kündigungen durch den Vermieter zu schützen, sind nach § 573 BGB strenge Voraussetzungen für eine Kündigung vorgeschrieben.

Demnach kann der Vermieter von Wohnraum das Mietverhältnis nur dann kündigen, „wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat“.

Die drei typischen Fälle für ein solches „berechtigtes Interesse“ sind die erhebliche schuldhafte Pflichtverletzung, der Eigenbedarf und die angemessene wirtschaftliche Verwertung. In diesem Teil soll nur der Eigenbedarf behandelt werden.

1. Wann liegt Eigenbedarf vor?

Von Eigenbedarf kann dann ausgegangen werden, wenn der Vermieter das Mietobjekt für sich selbst, seine Familienangehörigen oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person zu Wohnzwecken benötigt. Was sich zunächst nach einfachen und selbsterklärenden Voraussetzungen anhört, ist in der Rechtspraxis aufgrund des ausgeprägten Mieterschutzes an viele Bedingungen geknüpft. Die Voraussetzungen des Eigenbedarfs sind im Einzelnen:

a) Natürliche Person als Vermieter

Eigenbedarf ist nur bei natürlichen Personen denkbar, da nur diese „wohnen“ können: Wird die Mietwohnung also von einer juristischen Person, beispielsweise einer GmbH oder GbR vermietet, kann sich diese für eine Kündigung nicht auf Eigenbedarf berufen.

b) Private Nutzung

Außerdem muss der Vermieter die Räume zu Wohnzwecken verwenden. Beabsichtigt er, die Wohnung ausschließlich zu beruflichen Zwecken zu verwenden, beispielsweise als Büro- oder Lagerräume, kann er sich nicht auf Eigenbedarf als Kündigungsgrund berufen. Gleichzeitig ist aber auch nicht erforderlich, dass er die gesamte Wohnung zu Wohnzwecken verwenden möchte: Solange die Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken noch im Vordergrund steht, ist eine Eigenbedarfskündigung häufig trotzdem möglich.

Der BGH entschied, dass es nicht zulässig ist, den Berufsbedarf als ungeschriebene weitere Kategorie eines typischerweise anzuerkennenden Vermieterinteresses an der Beendigung eines Wohnraummietverhältnisses zu behandeln. Die Gerichte haben vielmehr im Einzelfall festzustellen, ob ein berechtigtes berufliches Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht und dieses positiv auszuschließen.

c) Nur vernünftige und nachvollziehbare Gründe führen zu einer berechtigten Kündigung

Der Vermieter muss die Wohnung benötigen. Der bloße Wunsch, in den eigenen Räumen zu wohnen, reicht nicht aus. Eigenbedarf liegt erst dann vor, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe für den Bedarf von sich selbst oder dem Angehörigen nennen kann.

Benötigt der Vermieter die Wohnung für weniger als 8 Arbeitstage pro Monat als Zweitwohnung oder liegt die Zweitwohnung in der Nähe der Hauptwohnung, ist sie unverhältnismäßig groß oder soll sie nur selten genutzt werden, dann ist der Eigenbedarf weitgehend chancenlos. Auch nur vorübergehende Nutzungsabsichten des Vermieters, beispielsweise während des Umbaus der eigenen Hauptwohnung, begründen keinen Eigenbedarf.

Konkret hat das Gericht ausgeführt: „Das Gericht darf den Eigennutzungswunsch des Vermieters daraufhin nachprüfen, ob dieser Wunsch ernsthaft verfolgt wird, ob er von vernünftigen und nachvollziehbaren Gründen getragen ist oder ob er missbräuchlich ist, etwa weil der geltend gemachte Wohnbedarf weit überhöht ist, die Wohnung die Nutzungswünsche des Vermieters überhaupt nicht erfüllen kann oder der Wohnbedarf in einer anderen frei gewordenen Wohnung des Vermieters ohne wesentliche Abstriche befriedigt werden kann.“

Außerdem ist zu beachten, dass eine Eigenbedarfskündigung „auf Vorrat“, beispielsweise weil der Vermieter in naher, jedoch noch nicht näher konkretisierter Zukunft plant, in die betroffene Wohnung umzuziehen, nicht möglich ist. Vielmehr muss der Vermieter darlegen, dass sich sein Nutzungswunsch so weit verdichtet hat, dass ein konkretes Interesse an alsbaldiger Eigennutzung besteht.

d) Nutzung durch Familienangehörige

Wer als Familienangehöriger im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB anzusehen ist, ergibt sich nicht aus dem Gesetzestext, sondern wird regelmäßig von der Rechtsprechung beantwortet. Unstreitig gehören hierzu Eltern oder Kinder, Ehepartner und eingetragene Lebenspartner oder Schwiegereltern, Enkel oder Geschwister sowie Nichten und Neffen des Vermieters.

Verlobte, Lebensgefährten oder Patenkinder sind nach Auffassung der Gerichte hingegen nicht als Familienangehörige anzusehen.

e) Nutzung durch Haushaltsangehörige

Zu den Haushaltsangehörigen zählen neben den Familienangehörigen auch sonstige Angehörige des Haushalts, insbesondere Pflege- und Hauspersonal. Dies gilt aber nur, solange die Person dem Haushalt dauerhaft angehören soll: Wohnbedarf einer gelegentlichen Putzkraft oder Babysitterin berechtigt daher nicht zu einer Eigenbedarfskündigung.

Der Bundesgerichtshof geht außerdem davon aus, dass Haushaltsangehörige in derselben Wohnung leben müssen wie der Vermieter (BGH NJW 2009, 1808). Verliert also beispielsweise eine Pflegerin des Vermieters, die außerhalb der Vermieterwohnung lebt, ihre Mietwohnung, kann der Vermieter nicht seinem Mieter kündigen, um dem Pflegepersonal diese Wohnung zu beschaffen.

2. Widerspruch des Mieters: 

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, bedeutet das noch lange nicht, dass die Eigenbedarfskündigung des Vermieters erfolgreich ist: Vielmehr ist der Mieter berechtigt, der Kündigung zu widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses zu verlangen, wenn die vertragsgemäße Beendigung des Mietverhältnisses für ihn, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 BGB).

Der Umstand, dass die Beendigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum zum einen ein berechtigtes Interesse des Vermieters voraussetzt, der Mieter zum anderen aber trotzdem bei Vorliegen einer Härte widersprechen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann, wird zutreffend als „doppelter Kündigungsschutz“ bezeichnet.

Die Gründe für eine solche besondere Härte sind vielfältig und können insbesondere finanzielle, familiäre oder persönliche Hintergründe haben. Am häufigsten anzutreffen ist besondere Härte aufgrund fehlenden Ersatzraumes (§ 574 Abs. 2 BGB), aufgrund hohen Alters, Behinderung oder Krankheit des Mieters oder eine unmittelbar bevorstehende Geburt.

Der Widerspruch bewirkt, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird, sofern die Kündigung eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Die Kündigung kann rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn der Vermieter eine freie, ähnliche Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage dem Mieter nicht anbietet. 

Der Eigenbedarf ist damit insbesondere für Vermieter, die viele weitere Wohnungen im Umfeld haben, mit besonderen Hürden versehen.

3. Schadenersatz des Mieters

Stellt der Mieter im Nachhinein fest, dass der Eigenbedarf des Vermieters vorgetäuscht gewesen ist, so stehen ihm grundsätzlich Schadensersatzansprüche zu. Typische Schadenspositionen sind beispielsweise Umzugs-, Makler- und Renovierungskosten sowie höhere Mietausgaben für die neue Wohnung.

Als Missbrauch wurden bisher von Gerichten gewertet:

Überhöhter Bedarf: Single in 8-Zimmer-Wohnung mit 280 qm.

Eigenbedarf war bereits bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar.

Vermieter steht vor Ablauf der Kündigungsfrist objektiv eine Alternativwohnung zur Verfügung, er verschweigt dies aber.

Nach Urteilen des OLG Koblenz und des Bayrischen Oberlandesgerichts macht sich ein Vermieter bei vorgetäuschtem Eigenbedarf auch strafbar. In diesem Fall liegt Betrug nach § 263 StGB vor.

4. Gewerberaum

Keinen Eigenbedarf benötigt der Vermieter für die Kündigung von Gewerberaum. Insoweit verbleibt es bei dem allgemeinen Grundsatz der freien Kündbarkeit. Allerdings bleibt ein Wohnraummietverhältnis auch dann ein solches und wird nicht automatisch zu einem Gewerberaummietverhältnis, wenn der Mieter in der vermieteten Wohnung – vertragswidrig – eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.